"Ein grosser Geist strebt nach Erkenntnis; ein kleiner Geist nach Praxisrelevanz."

 

Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen. Er war zusätzlich Gastprofessor an der Technischen Universität Freiberg in Deutschland, an der Qingdao Technological University in China und an der Banking University in Saigon (Vietnam). Mathias Binswanger ist Autor von zahlreichen Büchern und Artikeln in Fachzeitschriften und in der Presse. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Makroökonomie, Finanzmarkttheorie, Umweltökonomie sowie in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Glück und Einkommen. Mathias Binswanger ist auch Autor des 2006 erschienenen Buches Die Tretmühlen des Glücks, welches in der Schweiz zum Bestseller wurde. Im Jahr 2010 erschien das Buch Sinnlose Wettbewerbe - Warum wir immer mehr Unsinn produzieren und zu Beginn des Jahres 2015 kam sein neuestes Buch Geld aus dem Nichts auf den Markt. Gemäss dem Ökonomen-Ranking der NZZ im Jahr 2017 ist Mathias Binswanger auf dem dritten Platz und der Ökonom mit dem grössten Einfluss in der Politik.

Detailierter Lebenslauf

Email: mathias.binswanger at fhnw.ch

Tel. +41 (0)62 957 26 85


Neues Buch

Der Wachstumszwang – Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben

Der WachstumszangÜber lange Zeit leistete das Wirtschaftswachstum einen positiven Beitrag zum Wohlbefinden vieler Menschen. Im Vergleich zu früher können wir uns eine luxuriöse Lebensweise leisten und wir leben im Durchschnitt auch wesentlich länger und gesünder. Doch in neuester Zeit wird es in den wohlhabenden Ländern in Westeuropa, Nordamerika und Japan zunehmend fraglich, ob das Wachstum noch einen Beitrag zum Wohlbefinden der Menschen leistet. Und dann sind da die ganzen Auswirkungen des Wachstums auf die Umwelt, welche seit Beginn der 70er Jahre zu einer Kritik des Wachstums aus ökologischer Perspektive geführt haben.

Doch können heutige Wirtschaften längerfristig ohne Wachstum überhaupt funktionieren? Eine eingehende Analyse des ökonomischen Geldkreislaufes zeigt, dass dies längerfristig nicht möglich ist. Moderne Wirtschaften funktionieren nicht ohne Wachstum des Bruttoinlandproduktes, da sie andernfalls in eine Abwärtsspirale geraten. Es gibt nur die Optionen, entweder zu wachsen oder zu schrumpfen. Dieser Zwang zum Wachstum wurde über lange Zeit allerdings kaum als solcher wahrgenommen. Mit dem Wachstum war ein Heilsversprechen auf bessere Zukunft verbunden, das sich in grossen Teilen auch bewahrheitet hat. Doch aus diesem Heilsversprechen wird in neuester Zeit zunehmend eine Zwangshandlung.


 

Aktuelles:

Die Macht der Ökonomen in Bundesbern wird überschätzt

© Neue Zürcher Zeitung, Samstag 22. September 2019
Ein origineller Denker auf einem Spitzenplatz im Ökonomen-Ranking: Es wäre ein gutes Zeichen, wenn hiesige Politiker auf Mathias Binswanger hörten. Doch es sind Zweifel angebracht.
Lesen Sie den Artikel hier.

 

NZZ Ökonomen-Einfluss-Ranking 2019 - Binswanger neu auf Platz 5

© Neue Zürcher Zeitung, Samstag 21. September 2019
Insgesamt haben 40 Wirtschaftswissenschafter die Aufnahme in das Ranking geschafft. Bei den Institutionen liegt erneut die Universität Zürich klar vorne.
Lesen Sie den Artikel bei NZZ.

 

Buchvorstellung: „Der Wachstumszwang”

© Deutschen Umweltstiftung, 03. Juni 2019
Über lange Zeit leistete das Wirtschaftswachstum einen positiven Beitrag zum Wohlbefinden vieler Menschen. Im Vergleich zu früher können wir uns eine luxuriöse Lebensweise leisten und wir leben im Durchschnitt auch wesentlich länger und gesünder. Doch in neuester Zeit wird es in den wohlhabenden Ländern in Westeuropa, Nordamerika und Japan zunehmend fraglich, ob das Wachstum noch einen Beitrag zum Wohlbefinden der Menschen leistet.
Mathias Binswanger ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen und zeigt in seinem Buch “Der Wachstumszwang” warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben.
Im folgenden Gastbeitrag gewährt Prof. Mathias Binswanger einen Einblick in das Buch.
Lesen Sie die Buchvorstellung hier.

 

Geld, Sex

© ORF.at, 13. Juni 2019
Kann unser Konsumverhalten tatsächlich die Wirtschaft ändern? 
Hören Sie die Sendung hier. 

 

Wider den Wachstumszwang

© ORF.at, 13. Juni 2019
Weniger verschwenden, mehr reparieren und bewusster konsumieren: Lässt sich damit unsere Wirtschaft verändern? Nein, meint der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger – denn die Wirtschaft unterliege einem Wachstumszwang.
Lesen Sie das Interview hier.

 

Kann ein Milchbauer ausbrechen?

© SchweizerBauer.ch, 03. Juni 2019
Immer mehr produzieren und gleich wenig verdienen. Können die Bauern selbst diesen Pfad zu verlassen? Es ist umstritten. 
Lesen Sie den Artikel hier. 

 

Vom Wachstumszwang

© SRF, 3. Juni 2019
Die Wirtschaft ist auf Wachstum getrimmt, ja unterliegt einem Wachstumszwang, sagt der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger. Ohne Wachstum gibt es keinen Fortschritt und keinen Wohlstand, entgegnen seine Kritiker.
Hören Sie die Sendung hier.

 

Zum Wachsen verdammt

© Copyright Salzburger Nachrichten, 24. Mai 2019
Der Kapitalismus wird durch das Wachstum der Wirtschaft am Leben gehalten. Anhängern der Post-Wachstums-Ideen mangle es an überzeugenden Alternativen, sagt der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger.
Lesen Sie den Artikel hier. 

 

Dolchstoss für die Landwirtschaft

© Bauern Zeitung, 18. Mai 2019
Der Bundesrat kritisiert verstärkt die ökologischen Schäden der Landwirtschaft. Dahinter steht das Bestreben, die Landwirtschaft dem Freihandel zu opfern. So sehen es zumindest die Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung von Agrarinfo in Olten. 
Lesen Sie den Artikel hier. 

 

Wirtschaftsprofessor Mathias Binswanger über den Kapitalismus: «Wir befinden uns in einem Dilemma»

© Copyright Luzerner Zeitung 17. Mai 2019
Am Kapitalismus beisst man sich die Zähne aus, sagt Ökonom Mathias Binswanger. Die Gesellschaft müsse sich Gedanken darüber machen, wie Wachstum und Glück vereint werden können. 
Lesen Sie das Interview hier. 

 

Warum dieser Professor glaubt, dass global nachhaltiges Wachstum eine Illusion bleibt

© ch media, 17. Mai 2019 
Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz, rechnet in seinem neuen Buch mit wachstumskritischen Meinungen ab. Wir haben den Autor zum Interview getroffen. 
Lesen Sie das Interview hier. 

 

Zum Wachstum verurteilt

© Die Weltwoche, Nr. 17.19
Im Kapitalismus müssen Unternehmen Gewinne machen, um zu überleben, der Wettbewerb zwingt sie zu anhaltender Leistungssteigerung. Ist das unumgänglich?
Lesen Sie den Artikel hier.

 

Geld allein macht nicht glücklich – aber was dann, Herr Glücksforscher?

© Copyright Badener Tagblatt 21. März 2019
Wir wollen immer mehr davon und doch macht es uns nicht glücklich: Geld. Glücksforscher Mathias Binswanger erklärt im Interview, woran wir scheitern und verrät sein Rezept für ein glückliches Leben. 
Lesen Sie den Artikel hier. 

 

Ökonom Mathias Binswanger: «Olten sieht wie eine ausgetrocknete Zitrone aus»

© Copyright Oltner Tagblatt 09. März 2019
Der 56-jährige Mathias Binswanger lehrt an der Fachhochschule Nordwestschweiz Volkswirtschaft und gehört zu den wichtigsten Ökonomen der Schweiz. So schätzt der gebürtige St.Galler, der als Wochenaufenthalter in Olten wohnt, die derzeitige finanzielle Situation der Stadt vor der Abstimmung zum Budget 2019 ein.
Lesen Sie das Interview hier.

 

Die Pensionskassen und die Negativzinsen

© Neue Zürcher Zeitung, 15. Februar 2019 
Das Problem der Pensionskassen mit den Negativzinsen liegt nicht daran, dass sie der SNB Negativzinsen bezahlen müssen. Negativzinsen haben vielmehr das gesamte Zinsniveau zusätzlich abgesenkt. 
Lesen Sie den Artikel hier. 

 

Wir sind Getriebene

© Postwachstum.de, 7. Juni 2018 
Früher bedeutete Wachstum Wohlstand, ja, sogar Glück. Heute zwingt uns das System zu immer mehr Konsum. Weil es sonst zusammenbrechen würde. 
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Gentrifizierung - Wenn Wohnen zum Luxus wird

© SRF, Der Club, Dienstag, 27. März 2018, 22:20 Uhr
Die Städte verändern sich rasant: Quartiere werden aufgewertet, Familien durch Luxussanierungen vertrieben. Wer ist Schuld am Mangel preisgünstiger Wohnungen? Die Politik? Das Kapital? Die Yuppies? Muss man den Boden verstaatlichen oder in die Höhe bauen? In was für Städten wollen wir leben?
Sehen Sie die Sendung bei SRF

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Ist die Schweiz zu wenig produktiv?

© Die Weltwoche, 24. Januar 2018
Die OECD bemängelt immer wieder, dass in der Schweiz pro ­Arbeitsstunde zu wenig geleistet werde. Die Kritiker verkennen die Stärken der hiesigen Wirtschaft.
Lesen Sie das Interview hier.

 

Reformieren! Die Macht der Veränderung / Mit permanenten Reformen wird man nicht glücklicher

© SRF Kultur, 2. November 2017
Ständige Reformen in der Wirtschaft? Braucht es nicht, sagt der Volkswirtschaftsprofessor Mathias Binswanger. Er plädiert für eine Mässigung.
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Hören Sie die Sendung hier.

 

Die Jagdsaison bei den Krankenkassen ist eröffnet

© Neue Zürcher Zeitung, 1. November 2017
Der Wettbewerb bei den Krankenversicherungen schafft keine Transparenz. Vermittler wollen uns zum Kassenwechsel bewegen; die Kassen erschweren den Vergleich durch künstlich diversifizierte Angebote.
Lesen Sie den Artikel bei der NZZ.

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Das merkwürdige Verhältnis zwischen Geld und Glück

„Glücklich möchten alle Menschen werden. Wenn sie reich wären, würden sie auch glücklich sein, meinen die meisten, meinen Glück und Geld verhielten sich zusammen wie die Kartoffel zur Kartoffelstaude, die Wurzel zur Pflanze. Wie irren sie doch gröblich!“
(JEREMIAS GOTTHELF)

Das durchschnittliche Glücksempfinden bzw. die Zufriedenheit der Menschen in entwickelten Ländern nimmt schon lange nicht mehr zu, obwohl die durchschnittlichen Einkommen sich mit dem Wirtschaftswachstum stets weiter erhöhen. Das belegen die empirischen Studien, auf die ich mich in Teil I
dieses Buches beziehe. Aber das ist noch nicht alles. Umfragen zeigen auch, dass sich immer mehr Menschen gestresst fühlen. Daraus lässt sich eine eindeutige Schlussfolgerung ziehen: Offenbar leben Menschen nicht so, wie es für sie selbst am besten wäre.

 

Es ginge ihnen insgesamt besser, wenn sie mehr Zeit hätten und dafür auf zusätzliches Einkommen verzichten würden. So zeigt etwa eine Untersuchung, dass Menschen, die Überstunden machen und deshalb mehr verdienen, dadurch nicht glücklicher werden.1 Trotzdem machen aber viele Menschen

freiwillig Überstunden und streben generell nach einem immer noch höheren Einkommen. Die interessante Frage lautet deshalb: Wenn die Menschen ein anderes Verhalten glücklicher machen würde, warum ändern sie es dann nicht?

Der Grund liegt in den sogenannten Tretmühleneffekten, welche im Zentrum von Teil II dieses Buches stehen. Auf einer Tretmühle kann man immer schneller laufen und diese immer schneller bewegen, doch man bleibt immer am selben Ort. Genau gleich verhält es sich mit dem menschlichen Streben, durch mehr Einkommen glücklicher zu werden. Die Menschen werden dadurch zwar immer reicher, aber was ihr Glücksempfinden betrifft, treten sie auf der Stelle. Die Hoffnung auf mehr Glück wird ständig enttäuscht, dennoch wird an diesem irrationalen Glauben festgehalten.

Dass Geld nicht glücklich macht, ist keine neue Erkenntnis. Wir alle kennen diese Redewendung seit früher Kindheit. Aber es gibt einen neuen Gedanken, der die alte Volksweisheit wieder in Frage stellt. Er lautet: „Menschen, die behaupten, dass Geld nicht glücklich macht, wissen nicht, wo einkaufen.“ Was ist nun richtig? Die überraschende Antwort lautet: Beide Aussagen treffen heute zu. Die Glücksforschung zeigt uns deutlich, dass mehr Einkommen die Menschen in entwickelten Ländern im Durchschnitt nicht glücklicher macht.2 Doch es stimmt auch, dass wir nur selten wissen, was und wo wir einkaufen sollen, um tatsächlich glücklicher zu werden.

Dies ist aber ein viel tieferes Problem, als es die obige Aussage suggeriert. Mit der Entwicklung hin zu einer Multioptionsgesellschaft wird es immer schwieriger, die Produkte, Dienstleistungen oder Freizeitbeschäftigungen zu finden, die wir tatsächlich bräuchten, um glücklicher zu sein. Wir ertrinken in der Fülle von Möglichkeiten und haben nur mehr selten die Zeit, eine vernünftige Auswahl zu treffen. Der amerikanische Psychologe Barry Schwartz hat dieses Phänomen in seinem Buch „The Tyranny of Choice“ (dt.: Anleitung zur Unzufriedenheit) eindringlich beschrieben. Er zeigt, wie die wachsende Zahl an Produkten und Dienstleistungen und die immer zahlreicher werdenden Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, also die Auswahl
zunehmend zur Tyrannei wird. Und diese Tyrannei ist bereits ein Teil der Erklärung, warum Menschen mit steigendem Einkommen nicht glücklicher werden (siehe Kapitel 9).

Dazu kommt, dass es zwar immer mehr Produkte und Dienstleistungen gibt, aber Dinge wie Liebe, Erfolg, Gesundheit oder Schönheit, die wirklich glücklich machen würden, sind nach wie vor nur selten käuflich erwerbbar. Zwar zeigt die Werbung ständig Menschen, die dank neuer Produkte, Seminare, Kurse oder Diäten liebesfähiger, erfolgreicher, schöner und gesünder geworden sind. Doch wenn man es dann selbst versucht, scheitert man oft kläglich. Das „Nicht-Wissen,wo einkaufen“ ist für den modernen Menschen zu einem existenziellen Zustand geworden, der ihn auf unangenehme Weise an seine eigenen Grenzen in einer Gesellschaft der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten erinnert. Mehr Einkommen in mehr Glück zu verwandeln, wird somit zunehmend zur Sisyphusarbeit.

Wir sind aber nicht dazu verdammt, einfach weiter in den Tretmühlen zu verharren und uns weiter vergeblich abzurackern. In Teil III dieses Buchers wird aufgezeigt, wie wir aus den Tretmühlen ausbrechen können, die unmerklich zu einem Teil unseres wirtschaftlichen und sozialen Alltags
geworden sind. Wir sollten uns wieder auf den eigentlichen Daseinszweck der Wirtschaft besinnen, den George Bernhard Shaw folgendermaßen beschrieben hat: „Ökonomie ist die Kunst, das Beste aus unserem Leben zu machen.“ Mit anderen Worten: Es geht nicht um einkommensmaximierung, sondern um die Maximierung des menschlichen Glücks, der Zufriedenheit, der Lebensqualität oder noch wissenschaftlicher ausgedrückt, des subjektiven Wohlbefindens. Wozu sonst verdient man schließlich sein Geld, das man ja bekanntlich am Ende des Lebens nicht mitnehmen kann?

Der Ausbruch aus den Tretmühlen ist allerdings kein einfacher Prozess, denn diese sind gleichzeitig auch treibende Kräfte des Wirtschaftswachstums. Einerseits ermöglichen sie unseren Wohlstand, aber auf der anderen Seite hindern sie uns an einem glücklicheren Leben. Mit anderen Worten: Ohne Tretmühlen gibt es kein Wirtschaftswachstum und ohne Wachstum geraten moderne Volkswirtschaften in ernsthafte Schwierigkeiten. Dahinter steckt ein grundsätzliches Dilemma moderner Wirtschaften, dem wir in diesem Buch ebenfalls auf die Spur kommen wollen (siehe Kapitel 11).

Aus ökonomischer Sicht geht es bei der Suche nach der Verwirklichung eines glücklichen Lebens um einen zweistufigen Prozess. Erstens müssen wir ein Einkommen erzielen, damit wir uns die Dinge überhaupt leisten können, die wir für ein glückliches Leben brauchen. In dieser Hinsicht sind wir in den Industrieländern im Allgemeinen Profis. Von klein auf lernen wir die Fähigkeiten, die es braucht, um in der Arbeitswelt Karriere zu machen und viel Geld zu verdienen. Leider reicht das aber nicht aus, wie viele Menschen in ihrem späteren Leben schmerzlich erfahren müssen. Man muss auch in der Lage sein, das verdiente Einkommen so zu verwenden, dass es tatsächlich glücklich macht. Das ist die zweite und noch schwierigere Stufe bei der Verwirklichung eines glücklichen Lebens. Und in dieser Beziehung sind wir oft grauenhafte Amateure.

So gut wir beim Geldverdienen sein mögen, so schlecht sind wir bei der Umsetzung des Einkommens in Glück oder Zufriedenheit. Die dafür erforderlichen Fähigkeiten, die sich mit dem französischen Begriff „Savoir-vivre“ oder dem deutschen Wort „Lebenskunst“ umschreiben lassen, werden uns in der Schule nicht beigebracht.

Ein Mensch, der nur ans Geldverdienen und Karrieremachen denkt, handelt in Wirklichkeit unökonomisch, weil er damit sein Glück nicht maximiert. Er
verhält sich ineffizient und zwar in dem Sinn, dass er seine ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht optimal nutzt. Die wesentlichen Ressourcen für den einzelnen Menschen sind Zeit und Geld. Das Ziel muss sein, den optimalen Mix von Zeit und Geld zu finden, der zu einem möglichst glücklichen Leben führt.

Bei der Frage nach dem Glück des Einzelnen trifft sich somit die ökonomische Betrachtungsweise mit der Psychologie bzw. der Philosophie. Es geht um eine Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck des Wirtschaftens, der nicht in der Einkommensmaximierung sondern in der Glücksmaximierung, bzw. wie es die Ökonomen ausdrücken, in der Nutzenmaximierung besteht.

Die in diesem Buch vertretene ökonomische Perspektive deckt sich wesentlich mit der Auffassung des Philosophen Jeremy Bentham (1789), der vor mehr als zweihundert Jahren in England lebte. Bentham ging davon aus, dass die Menschen nach einem glücklichen Leben streben und die beste Gesellschaft demzufolge diejenige ist, in der die Menschen insgesamt am glücklichsten sind. In der Folge erwies sich dieser zunächst einleuchtende Gedanke allerdings als problematisch. Wie sollte man feststellen, wie glücklich die Menschen insgesamt in einem Land sind? Dieser Frage fühlten sich die Ökonomen bald nicht mehr gewachsen und so strichen sie den Begriff des Glücks aus ihrer Theorie und ersetzten ihn durch den harmloseren Begriff des Nutzens. Harmlos ist dieser Begriff insofern, als er vorsichtshalber so definiert wurde, dass er gar nicht messbar ist. Der Nutzen, so wie er heute in der ökonomischen Theorie verwendet wird, ist eine sogenannte ordinale Größe. Es lassen sich nur Aussagen darüber machen, ob der Nutzen eines Individuums durch bestimmte Handlungen zu- oder abnimmt, aber nicht, um wie viel er zu- oder abnimmt. Aus diesem Grund lässt sich der Nutzen verschiedener Güter nicht einfach addieren und auch der Nutzen verschiedener Menschen lässt sich nicht quantitativ vergleichen. Beobachten können wir gemäß der Annahmen der heutigen Standardökonomie nur die Folgen der Nutzenmaximierung der Individuen. Diese führt dazu, dass
die Menschen, wenn sie rational handeln, das tun, was für sie am besten ist. Und tun sie das nicht, dann verhalten sie sich irrational, womit die meisten Ökonomen bis vor kurzem nichts zu tun haben wollten. Erst in neuester Zeit erkennt auch dieökonomische Forschung, dass man das Verhalten der Menschen nur verstehen kann, wenn man ihnen eine gehörige Portion Irrationalität zugesteht.

In der wirtschaftlichen und politischen Praxis konnte man mit dem nicht messbaren und blutleeren Nutzenbegriff der Ökonomie allerdings nie viel anfangen. Dort steht bis heute das Wachstum des Bruttoinlandproduktes im Mittelpunkt des Interesses und nicht, wie sich dies Bentham vorgestellt hatte, das Glück der Menschen. Doch wenn Wachstum nicht glücklicher macht, dann macht die einseitige Ausrichtung der wirtschaftlichen
Tätigkeit am Wachstum auch keinen Sinn. In der ökonomischen Theorie ist Wachstum ein Mittel und nicht ein Zweck. In der Realität ist dieses Mittel aber längst zum Zweck geworden, und kaum jemand spricht heute mehr von einem glücklichen Leben,wenn es um wirtschaftliche Fragestellungen geht.
Jede Zeit produziert ihre eigenen Verrücktheiten, die dann später kaum mehr nachvollziehbar sind.3 Schon heute fragen wir uns, wie es möglich war, dass sich die Menschen in Russland und anderen osteuropäischen Ländern ihr Leben über fast 100 Jahre mit dem Kommunismus vermiesen ließen. Und unser Verständnis hört ganz auf, wenn es um Inquisition oder Hexenverbrennungen geht, womit Kirche und staatliche Justiz über lange Zeit Angst und Schrecken verbreitete. Doch wir sollten vorsichtig sein. Spätere Generationen werden sich wahrscheinlich auch einmal fragen, warum sich die Menschen in der heutigen Gesellschaft trotz eines zuvor nie da gewesenen Wohlstands, ständig noch mehr stressen ließen, statt diesen Wohlstand zu genießen. Vor fast 2000 Jahren degenerierte das damals reiche Rom, weil sich seine Bürger buchstäblich zu Tode amüsierten. Im Vomitorium steckten sie sich einen Finger in den Hals, um die gerade genossenen Leckerbissen wieder heraus zu kotzen, damit sie noch mehr Köstlichkeiten zu sich nehmen konnten. So erfanden die alten Römer ständig noch perversere und raffinierte Methoden, um ihren Wohlstand zu verprassen. Doch dieser Degenerationsprozess war immerhin unterhaltsam und mit einem – wenn auch fragwürdigen – Genuss verbunden. In den Industrieländern laufen wir heute jedoch Gefahr, auf eine viel unattraktivere Art zu degenerieren. Es lohnt sich, dagegen etwas zu unternehmen.