© BILANZ 8. 7. 2015
Einen Bauernbetrieb zu führen oder Kinder zu kriegen, macht in der Schweiz keinen Sinn – streng ökonomisch betrachtet. Genau deshalb braucht es für beides Subventionen.
Was haben Kinder und Kühe in der Schweiz gemeinsam? Der Unterhalt beider Arten von Lebewesen ist hierzulande mit hohem Aufwand verbunden, und es handelt sich deshalb um ökonomisch bedrohte Spezies. Die Bedrohung rührt von den hohen Opportunitätskosten her. Dabei geht es um die Frage, was man alternativ an Wertschöpfung erzielen könnte, wenn man auf die Landwirtschaft oder das Kinderhaben verzichten würde. Die Antwort lautet in beiden Fällen: viel. Es gibt unzählige Tätigkeiten, mit denen ein einigermassen gut ausgebildeter Mensch in der Schweiz wesentlich mehr Geld verdient.
Niedrige Wertschöpfung als Bauer
Betrachten wir zuerst die Landwirtschaft. Die Wertschöpfung pro Vollzeitstelle liegt in diesem Sektor bei etwas mehr als 30'000 Franken pro Jahr. Das ist der niedrigste Wert aller Branchen: Er beträgt ungefähr ein Zehntel desjenigen pro Vollzeitstelle bei Banken, Versicherungen oder in der Pharmaindustrie, wo die Wertschöpfung bei über 300'000 Franken pro Jahr und Kopf liegt.
Gemäss einer rein ökonomischen Argumentation sollten deshalb die wenigen noch verbliebenen Bauern ihren Beruf an den Nagel hängen und stattdessen versuchen, in anderen Branchen unterzukommen, wo sie pro Arbeitsstunde wesentlich mehr Wertschöpfung erzielen würden. Nahrungsmittel produzierte die Schweiz dann keine mehr, sondern importierte diese billig aus ärmeren Ländern, wo die Opportunitätskosten der landwirtschaftlichen Produktion geringer sind.
Hohe Opportunitätskosten des Kinderhabens
Bei Kindern lässt sich genau gleich argumentieren. Viele Frauen verdienen in der Schweiz ein im internationalen Vergleich hohes Gehalt. Kindererziehung durch beruflich ausgebildete Mütter (in seltenen Fällen auch Väter) ist deshalb genau wie landwirtschaftliche Tätigkeit mit hohen Opportunitätskosten in Form von Lohneinbussen verbunden. Und nicht nur das. Häufig bedeutet der Entscheid für ein Kind auch den Verzicht auf zukünftige Karrierechancen.
Streng ökonomisch gedacht würden wir also nicht nur die landwirtschaftliche Produktion outsourcen, sondern genauso das Kinderhaben. Frauen sollten vor allem in Entwicklungsländern Kinder haben, und wir holten diese dann als junge Erwachsene in die Schweiz.
Beides funktioniert nur noch mit Subventionen
In diesem Ausmass möchten aber die meisten Menschen der Stimme des Marktes dann doch nicht gehorchen. Und dies völlig zu Recht. Ein Land, das nicht mehr in der Lage war, eigenen Nachwuchs zu erzeugen und sich mit grundlegenden Nahrungsmitteln zu versorgen, bekam in der Geschichte längerfristig stets Probleme. Doch gerade weil die Schweiz ein so reiches Land ist, funktioniert Subsistenzwirtschaft nur noch mit staatlicher Unterstützung.
Würde man die Landwirtschaft nicht mit Subventionen unterstützen, dann blieben bald nur noch ein paar Schau-Landwirtschaftsbetriebe für Touristen übrig. Und würde man die Opportunitätskosten des Kinderhabens nicht immer stärker über Angebote an subventionierten Kinderkrippen und Steuererleichterungen mildern, bekämen in der Schweiz Familien mit Kindern zunehmend Seltenheitswert.