"Ein grosser Geist strebt nach Erkenntnis; ein kleiner Geist nach Praxisrelevanz."

© BILANZ 09/12 14.05.2012

Die Vermögen in der Schweiz sind hoch, die Aufklärungsquoten tief. Fazit: Diebstahl lohnt sich. Das weiss man auch in Rumänien.

Lohnen sich Verbrechen? Bei ­Vermögensdelikten muss man diese Frage inzwischen eindeutig bejahen. Die durchschnittliche ­Aufklärungsquote für sämtliche Vermögensdelikt­e beträgt gerade einmal 16 Prozent. Und bei be­stimmten Kategorien gibt es noch viel tiefere Werte. Bei Fahrzeugdiebstählen beispielsweise liegt die ­Aufklärungsquote bei 4 Prozent, und «Fahrzeug­einbruchdiebstähle» beziehungsweise «Diebstähle aus Fahrzeugen» werden in 6 und 8,3 Prozent aller Fälle aufgeklärt. Noch tiefer ist die Aufklärungsquote bei Taschendiebstählen (3 Prozent), und bei Entreiss­diebstählen beträgt der entsprechende Wert 10 Prozent.

Bei solchen Zahlen dürfte potenziellen Dieben und Räubern geradezu das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wenn das Risiko, erwischt zu werden, dermassen klein ist, dann lohnt sich Diebstahl. Bei allen erwähnten Diebstahlkategorien lassen sich auch relativ hohe Zuwachsraten beobachten, und die ­Gesamtzahl der Diebstähle (ohne Fahrzeugdiebstähle) hat sich von 2010 auf 2011 um beachtliche 16 Prozent erhöht.

Diese Zunahme geht zu einem erheblichen Anteil auf das Konto von nicht in der Schweiz wohnhaften Ausländern. Die tiefen Aufklärungsquoten haben sich in interessierten Kreisen im Ausland herumgesprochen, und so ist die Schweiz inzwischen zu einer beliebten Destination für Kriminaltouristen geworden. Die von diesen begangenen Delikte sind in der Statistik unter den Delikten der ­Kategorie «übrige ausländische Bevölkerung» ­aufgeführt, die alle Aus­länder ohne ständigen Aufenthalt in der Schweiz ­erfasst. Diese Kategorie zeichnet inzwischen für fast ein Drittel der von Ausländern begangenen Delikte in der Schweiz verantwortlich, und ein ­erheblicher Teil davon geht auf das Konto von Kriminaltouristen.

Besonders krass ist dies im Fall von Rumänien. Im Jahr 2011 wurden fast alle – das heisst 1736 der insgesamt 1808 – von Rumänen begangenen ­Straftaten von nicht in der Schweiz wohnhaften Rumänen verübt. Bei ­diesen handelt es sich mehrheitlich um bandenmässig organisierte ­Kriminaltouristen, die von den hohen hiesigen Erfolgsaussichten bei ­Vermögensdelikten angelockt wurden. Beim Kriminaltourismus ist ­Rumänien das führende Land, obwohl es in der Rangliste aller von Aus­ländern in der Schweiz verübten Delikte nur an achter Stelle liegt. Neben Rumänien kommen Kriminaltouristen am häufigsten aus Frankreich: Diese machen vor allem die Romandie unsicher und sorgen dort für eine hohe Zahl von Diebstählen.

Solange die Schweiz ein reiches Land mit so tiefen Auf­klärungsquoten bleibt, wird dieser Kriminaltourismus weiter zunehmen. Das Risiko, ­erwischt zu werden, ist einfach zu klein. Die Kriminaltouristen handeln bei den vorhandenen Anreizen absolut rational. Hier gilt es, Mass­nahmen zu ergreifen, welche die fatale Attraktivität der Schweiz für Kriminaltouristen verringern.

Allerdings sind beim Staat und damit bei der Polizei die Anreize nicht allzu gross, sich bei der Bekämpfung der Kriminaltouristen Mühe zu geben. Deren Verfolgung ist mühsam, arbeitsintensiv und wenig ein­träglich. Viel lohnender ist die Kontrolle der Einhaltung von Regeln – vor allem von Verkehrsregeln der in der Schweiz ansässigen Bevölkerung, bei der man mit Bussen saftig abkassieren kann.